Sonntag, 30. August 2015

Bericht eines langen, anstrengenden und schönen Tages

Grimselpass, 2164m

Der Aufstieg zur Grimselpasshöhe zieht sich in die Länge, ist aber dank der abwechslungsreichen Streckenführung und der Morgenfrische gut zu meistern. Es gibt einige steilere Abschnitte (10%), aber auch flache Passagen in Guttannen und entlang den Stauseen. Ich komme gut voran. Fahre knapp am Limit, d.h. irgendwo im sogenannten Entwicklungsbereich mit Puls 160 bis 168. Im letzten Abschnitt fallen sogar einige persönliche Bestzeiten. Ich fühle mich gut, habe keinerlei Beschwerden. Auch das Schwitzen hält sich in Grenzen, weil die hohen Granitfelswände schön Schatten spenden. Nach insgesamt rund 1h45 ist der erste Verpflegungsposten erreicht, an welchem traditionell ein ziemliches durcheinander herrscht. Ich verliere nicht viel Zeit und lass' die Räder ins Wallis rollen.

Nufenenpass, 2478m

Zwischen Oberwald und Obergoms passiert es. Meine Pechserie geht weiter. Der hintere Reifen verliert Luft: ein kleines Loch, doch im brandneuen Reifen findet sich keine Spur von einem Metallteil oder einem Scherbenfragment. Nach einem Tunnel muss ich rechts ranfahren. Es tut weh, Gruppen von Rennrad-Fahrern vorbei rauschen zu hören, während man am Strassenrand versucht einen neuen Schlauch reinzuziehen. Noch mehr weh tut, wenn man beim ersten Versuch das Ventil abbricht und sich wegen einem selbst ärgern muss, weil man die in die Jahre gekommen Mini-Pumpe benutzen muss, welche schon etwas "verhockt" ist. Ich kriege nur ca. 5-6 Bar hinein, gestartet bin ich mit 7.5 Bar... Meine Hoffnung, in Ulrichen einen Bike-Shop mit ordentlicher Pumpe vorzufinden, war vergebens. So muss ich wohl oder übel mit einem "gut federnden" Reifen die 1000 Höhenmeter hinauf zur Passhöhe in Angriff nehmen. Weil ich durch diese Episode ca. 20 Minuten verloren habe, muss ich ordentlich drücken und fahre über dem Limit (ca. 170 Puls im Schnitt). Im unteren Bereich gibt's dadurch wieder eine persönliche Bestzeit, bis nach ganz oben "verliere" ich nur etwas über eine Minute auf meine Bestleistung von letztem Monat. Auf der Passhöhe ist dann Eile angesagt. Flaschen füllen, ein Gel und eine Bouillon müssen reichen. Und ach ja, geärgert über die miserable Velopumpe vom Veranstalter habe ich mich auch noch müssen. Nicht mal eine Druckanzeige hatte dieses Vorkriegsmodell. Eile deshalb, weil in Airolo schliesst die Strecke der Platin-Tour um 11:15 Uhr. Es reicht - mit 7 Minuten Reserve! Eine Ausrede, doch links Richtung Tremola abzubiegen (Gold-Tour) entfällt ;-)

Leventina

Ab Airolo bildet sich schnell eine Gruppe, um besser gegen den mässigen Talwind in der Leventina anzukämpfen. Anfangs war die Gruppe nur 6 Radler gross, wuchs aber bis Biasca doch auf eine Grösse von 20-30 an. Darunter auch einige Iditioten, die achtloss sämtlichen Abfall einfach so in die Wiesen schmeissen. Es soll hier nicht unerwähnt bleiben, dass Velofahrer keine besseren Menschen sind, nur weil sie sich ohne Motor fortbewegen. Rotlichter werden überfahren (Baustelle am Grimsel, bergab notabene), Sicherheitslinien überfahren (Schöllenenschlucht), Radstreifen nicht benutzt (Leventina). Ich möchte mich hier nicht als etwas besseres darstellen. Auch wegen mir wurde schon mal gehupt und die Hände verworfen ;-)

Lukmanierpass, 1915m

Unterschätze den Lukmanier nicht. Auf dem Höhenprofil der Platin-Tour schaut er relativ harmlos aus. Er knackt nicht einmal die 2000-Meter-Marke, doch er zieht sich unendlich in die Länge. Ab Biasca sind es über 40 Kilometer horizontal und über 1600 Meter vertikal, die es zu überwinden gilt. Davor konnte man es vom Nufenenpass her kommend über 2100 Meter mehr oder weniger laufen lassen. Die Beine sind es sich entsprechend nicht mehr gewohnt, bergauf zu treten. Übermässig steil ist er nie. Einigermassen abwechslungsreich ist er auch, aber halt - eben - lang und die löchrigen Betonplatten nerven. 40 Kilometer: das ist die Strecke von meinem Heimatort Däniken nach Solothurn. An und für sich nichts erwähnenswärtes für einen ambitionierten Hobby-Fahrer. Aber zusammen mit 4.5 mal auf die Schafmatt (je 350 Höhenmeter - ok, Schafmatt ist doppelt so steil ab Rohr SO) ist's schon recht happig - v.a. bei anfangs 30 Grad Celsius und bereits mit zwei anderen veritablen Alpenpässsen in den Beinen. Irgendwie geht auch diese Strapaze vorbei. Ich mache an der Verpflegungsstelle eine etwas längere Rast. Längere Rast heisst: 15 Minuten, sich hinsetzen und Brot mit Schoggi essen. Wobei essen, na ja - runterwürgen irgendwie. Zu wenig Speichel. Es scheint, als würde sämtliche Flüssigkeit für's Schwitzen benötigt. Das Brot behalte ich halb zerkaut noch eine Weile im Mund, bis ich es mit einem ordentlich Schluck aus der Pulle runterspülen kann. Da befinde ich mich bereits auf der Abfahrt Richtung Disentis.

Oberalpass, 2046m

Der Aufstieg zum zweitletzten Pass verläuft bis kurz nach Sedrun/Rueras ruhig. Trotz Gegenwind komme ich gut vorwärts. Nach der Rechtskurve in Dieni beginnen die Qualen. Der Gegenwind wird gefühlt nochmals etwas stärker, so dass ich mich gezwungen sehe, bei 20 km/h und 3 Steigungsprozenten in den Unterlenker zu gehen und Windschatten bei einem Leidensgenosse suchen muss. Nach der sich endlos anfühlenden Gerade bis nach Tschamut muss ich kurz Halt machen: die Füsse entlasten, etwas trinken und versuchen, feste Nahrung zu mir zu nehmen. Es haben sich Druckstellen gebildet an den Fussballen. Der Magen ist stabil. Doch die Lust auf Nahrung hält sich in Grenzen. Mehr als einen halben Riegel krieg ich nicht runter. Mehr ist auch nicht nötig. Ich kriege den Puls nicht mehr gross über die sogenannte "individuelle anaerobe Schwelle" - bleibe also mehrheitlich im Bereich der Fettverbrennung. Energiebereitsstellung ist das eine, Krämpfe verhindern das andere. Enorm wichtig ist bei diesen Temperaturen die Versorgung mit Salz - rund 12 Salztabletten à 1 Gramm nehme ich zu mir. Die 10 Kehren im Schlussaufstieg zur Passhöhe gehen dann auch irgendwie vorbei, erstaunlich gut - auch dank der "Zwangspause". Aber an Bestzeiten ist nicht mehr zu denken. Die Zeit spielt eh eine untergeordnete Rolle. Wichtig ist das durchkommen. Am Lukmanier und auch auf der langen Gerade nach Tschamut kommen immer kurz Gedanken ans Aufgeben, die gleich wieder verworfen werden. Je näher die Passhöhe kommt, desto mehr lässt die Vorfreude auf die Zieleinfahrt die Schmerzen vergessen und die negativen Gedanken verschwinden. Dass mit dem Sustenpass noch ein happiger, langweiliger Brocken vor mir steht, verdränge ich auf der Passhöhe so guts geht, während ich an einem schattigen Plätzchen an der Verpflegungsstelle eine Cola schlürfe, Schoggibrott esse und mit dem von der Stirn fallenden Schweisstropfen den Boden bewässere ...

Sustenpass, 2224m

Vor dem letzten Aufstieg fühle ich mich sehr gut, kann einige Fahrer überholen. Trotzdem ziehe ich den Joker und höre aufputschende Musik mit einem Knopf im Ohr. Beide Ohren zuzustöpseln wäre zu gefährlich - zu viel Verkehr. Die ersten Kehren und Tunnels gehen sehr gut. Nicht so gut wie am Grimsel/Nufenen, aber deutlich besser als am Lukmanier. Dann beginnt die Leidenszeit. Schon bald sieht man das Meiental hinauf zur vermuteten Passhöhe. Zermürbend! Noch rund 1000 Höhenmeter stellen sich mir in den Weg, nachdem ich 5500 Höhenmeter hinter mir gelassen habe. Ich muss ein paar Mal anhalten. Der Rücken will nicht mehr. Die Schulter ist arg verspannt und Füsse melden sich auch ab und an. Der Schweiss tropft. Kopfsache! Ich wechsle die Musik, fahre dabei fast in ein Gruppe "gestrandeter" Radler (vermutlich Panne). Im zweitletzten Moment kann ich noch ausweichen. Durch die zahlreichen Pausen überhole ich immer wieder die gleichen Radler. Sie kennen mich vermutlich bereits vom hören. Denn irgendwas knackst. Ich hoffe, es ist der Sattel. Mit jeder Pedalumdrehung knarrt es. Insgesamt geschätzte 40'000 Mal. Total waren es 54'000 Kurbelbewegungen während den 9 Stunden "Pedalzeit". Nach anderthalb Stunden ist's vorbei. Ich erreiche den Scheiteltunnel. Trinke eine Bouillon, esse ein paar Orangenschnitze, ziehe die Windweste an und ab gehts auf die 30-minütige Abfahrt hinunter nach Innertkirchen.

Zieleinfahrt

Auf der Abfahrt konnte ich mich offenbar sehr gut erholen. Auf dem kurzen Aufstieg "über" die Aareschlucht gibt's erneut einen persönlichen Rekord. Die Vorfreude auf die Zieleinfahrt und das damit verbundene Adrenalin lassen sämtliche Schmerzen verschwinden und letzte Reserven aktivieren. Ich rausche dem Ziel entgegen, überhole noch ein paar Fahrer und dann - peng - ist's vorbei. Einfach geil! Dutzende Leute klatschen begeisternd und anerkennend, der Speaker nennt einem mit Namen und meint ein paar Minuten später in breitem Berndeutsch, als weitere Fahrer eintreffen: "Das se halt scho verrockti Cheibe, die Platin-Fahrer...". Wie wahr!

2500 Radler vor dem Start in Meiringen
Pause am Lukmanier 
Pause in Tschamut
Selfie am Oberalp
Im Aufstieg zum Oberalp
Selfie im Ziel

So sehen Beine und Füsse aus nach 13 Stunden Velo fahren :-) 
Und so die Belohnung dafür - konnte leider nicht warten für's Foto :-) 



Freitag, 28. August 2015

Gold, Platin und Meringues

Platin gilt gemeinhin als sehr wertvolles Edelmetall, teurer als z.B. Gold. Letztes Jahr Ende August war das noch so - trotzdem habe ich mich heute vor einem Jahr für die "Gold-Tour" am Alpenbrevet entschieden, was eine weise Entscheidung war. Die 5000 Höhenmeter (immer noch persönlicher Rekord) und die Abfahrt bei gefühlten Null-Grad vom Sustenpass reichten für's erste. Schliesslich soll man noch Ziele haben für das Folgejahr.

Nun ist der der Platinpreis von dazumal 1400$ pro Feinunze auf 1000$ gesunken, in der gleichen Zeit pendelte sich der Goldpreis bei 1100$ ein. Trotzdem: Platin hat für mich dieses Jahr einen grösseren Wert - denn Platin bedeutet die ultimative Herausforderung: 5 Alpenpässe, 7000 Höhenmeter und 270 Kilometer. Im Moment habe ich noch keine Vorstellung, wie sich das anfühlen wird. Wie reagiert der Körper, wie der Magen auf einen Tag Dauerleistung und Flüssignahrung aus dem Bidon?

Morgen um diese Zeit (17 Uhr) werde ich noch unterwegs sein, vermutlich irgendwo zwischen Oberalp- und Sustenpass. Ich rechne mit 12 bis 13 Stunden Fahrzeit um die Pässe Grimsel, Nufenen, Lukmanier, Oberalp und eben Susten zu bezwingen und freue mich riesig auf die Zieleinfahrt und eine Riesenportion Meringue :-)

In Meiringen gibt's dich grössten Meringues und die längsten Velotouren.



Dienstag, 23. Juni 2015

Zahlen und Fakten

Wo für viele eine Reise beginnt, war für mich heute Dienstag morgen das Abenteuer fertig. In der Hafenstadt Hamburg, wo viele grosse Kreuzfahrtschiffe ablegen, stieg ich gestern Abend in den Komet ein (Nachtzug Hamburg-Zürich von City Night Line; apropos Nachtzug: www.umverkehr.ch).

Hier die Tour in Zahlen für's Archiv.

  • Datum: 30. Mai - 23. Juni 2015
  • Etappen: 18
  • Ruhetage: 5
  • Länder: Schweiz, Deutschland, Tschechien, Polen, Litauen, Schweden, Dänemark
  • Währungen: Schweizer Franken, Euro, Polnische Sloty, Tschechische, Schwedische und Dänische Kronen
  • Distanz: 2739 km (pro Etappe: 152) 
  • Dauer: 97 h 47 min (5:27)
  • Höhenmeter: 16'000 m (920)
  • Schnitt: 28.0 km/h
  • Energieverbrauch: 62'000 kcal (3440)





  • Video-Beiträge auf Blick online: 1
  • Platte Reifen: 0
  • Gegenwind lautstark mittels "Urschrei" verflucht: ca. 7 mal
  • Vom Rückenwind stark profitiert: mind. in 4 Etappen - oder mehr?!
  • Von Hunden verfolgt: zweimal
  • Von Hunden eingeholt: nie
  • Vom Regen geduscht: 4x
  • Von Sonne verwöhnt: fast durchgehend
  • Garmin abgestürzt: 3-mal
  • Schlaglöcher ausgewichen: unzählige
  • Bodenwellen geschluckt: noch mehr
  • Nicht benötigte Bekleidung: Regenhose, Badehose
  • Wasser pur aus Bidon getrunken: 45.8
  • ... sowie Süssgetränke und Iso-Zeugs: 27.6 Liter
  • ... oder pro Tag: 2.5 bzw. 1.5 l (max. 4.4 und 2.9 l)
  • Schweizer Torjubel: 2 :-)




Freitag, 19. Juni 2015

Ziel erreicht, und nun?

Das Ziel ist also erreicht: die Schweizer Nationalmannschaft hat gewonnen; mit Mühe zwar, aber wie sie das Spiel noch rumgewürgt haben, war cool! Was nun, wie soll es weiter gehen? Das war mir nicht ganz klar. Eine Möglichkeit wäre gewesen, das Baltikum weiter hoch zu radeln und von entweder Riga oder Tallin mit der Fähre nach Schweden zu übersetzen. Diese Idee habe ich ziemlich schnell wieder verworfen. Zu eintönig schien mir die Landschaft. Zu nordisch kühl das Klima. Irgendwie zu weit weg von Zuhause für die Rückfahrt. Ich vermisse die Berge! Die gewählte Variante war in drei Tagesetappen an die litauische Küste nach Klaipeda zu radeln um dann via Südschweden, Dänemark und Norddeutschland per Rad und Zug nach Hause zu kommen.

Der erste Teil war härter als gedacht. Ich hatte nicht nur mit dem Gegenwind zu kämpfen, sondern auch mit der Motivation. Die zuvor hochgelobte Landschaft wiederholt sich und wird eintöniger. Bei den Strassen kann man manchmal nur wählen zwischen Verkehr und Holperpiste. Es kam trotz zwei Ruhetagen in Vilnius rasch wieder die Routine auf, die das Velofahrem mehr zur Pflicht denn zum Vergnügen macht. Versteht mich nicht falsch: ich verstehe es nach wie vor als grosses Privileg, Velo fahrend die Welt zu erkunden! Doch die tägliche Hotelsuche, Routenplanung, Wäsche waschen, auswärts alleine essen, Blog schreiben, ... - all das machte mir in den ersten zwei Wochen noch nichts aus und machte es gerne. Doch mehr und mehr wurde es zur ungern ausgeführten Pflicht. Deshalb beende ich mit diesem Blogeintrag die tägliche Berichterstattung über diese Veloreise, bzw. hab es ja schon gemacht ;-)

Von Klaipeda hat mich die Nachtfähre nach Karlshamn gebracht. Nach dem Frühstück zusammen mit den Trucker-Fahrern schwang ich mich aufs Velo und radelte bis nach Malmö. Dies war erst nicht so geplant. Nach dem Studium des Wetterberichts und dem ersten durchfahrenen Regenschauer habe ich mich en-route umentschieden und kann so nun den Regentag im Hotel aussitzen - bzw. mit einem Ausflug nach Kopenhagen verbinden. Denn in Schweden ist heute Freitag midsommarafton und somit die Strassen wie leergefegt, die meisten Geschäfte und Restaurant geschlossen. Das wäre in Ystad, dem geplanten Etappenort, etwas gar langweilig geworden - oder nass, wenn ich mich dann trotzdem dazu durchgerungen hätte, mich nach Trellerborg durch Wind und Wetter durchzukämpfen, um mit der Fähre nach Rostock zu übersetzen. 

Morgen Samstag geht die Reise weiter: Zuerst mit dem Zug über den Öresund, von Kopenhagen runter nach Maribo und am Sonntag bis Hamburg, wo ich den Nachtzug nach Basel besteigen werde


Frühstück mit Truckern auf der Fähre nach Schweden


Typisches Haus in Litauen 


Schöne Flusslandschaft im Südwesten Litauens, nahe der russischen Grenze


Noch kurz über den Jura :-)


Kurische Nehrung bei Klaipeda 


Super Radweg auf der Kurischen Nehrung


Nachtessen im "Akropolis" - einem riesigen Einkaufszentrum mit Eisfeld mitten im Foodcourt in Klaipeda 


Hafen von Klaipeda


Schweden, in der Nähe von Vallsås :-)


Välkommen till Sverige

Montag, 15. Juni 2015

Strassenlotterie

Bericht vom 15. Juni 2015: Vilnius - Kaunas 

Das Spiel, naja ... Hauptsache gewonnen :-) 

Im Bericht von meiner letzten Etappe lobte ich die Strassen Litauens noch. Nach den Erfahrungen heute muss ich dieses Bild ein wenig korrigieren. Die ersten 70 Kilometer waren recht ordentlich, bis gut - vor allem wenn man bedenkt, dass ich heute hauptsächlich auf Nebenstrasse unterwegs war. Dann kam sie, die Sandpiste, die nicht wirklich gemacht ist für schmale Rennrad-Reifen. Das Hinterrad schlingerte nur noch hin und her. An ein flottes Vorwärtskommen wie in den letzen Tage war nicht mehr zu denken. Auch weil der Wind heute relativ heftig von vorne ins Gewicht blies. Es ist ein wenig Lotterie, ob eine Nebenstrasse zur Sandpiste verkommt und falls ja, für wie lange. Nach zwei Rumpelpassagen hatte ich keinen Bock mehr darauf. Nun ... die Alternative rollt zwar gut - nur das Problem ist, dass im gefühlten 10-Sekundenktakt ein Lastwagen vorbei donnert. Da es sich in diesen Fall um eine sehr gut ausgebaute Autostrasse handelt, verfügt selbige über einen beruhigend breiten Seitenstreifen. Bleibt nur zu hoffen, dass ich morgen genug Losglück habe auf den 180 km nach Siluté. 

Die erwähnte Sand-/Schotterpiste

No comment ...

Typische Szenerie

Gira, oder Kvas, ist ein Getränk aus vergorenem Pumpernickelbrot - schmeckt lecker (wirklich!) und macht schnelle Beine :-)

Schmeckt auch lecker, macht aber nicht unbedingt schneller. Immerhin gabs die Hälfte der nächsten Glace des Förderbands :-)

Samstag, 13. Juni 2015

Hopp Schwiiz

Bericht vom 12. Juni 2015: Lazdijai - Vilnius

Heute Morgen musste ich ohne Frühstück los. Vom Personal bzw. Tochter mit den schönen Augen der Besitzerfamilie war leider nichts zu sehen. Das heisst ich musste erst knapp 10 Kilometer bis zur nächsten Tankstelle radeln um mir Frühstück zu besorgen. Kein Problem: denn die Tanke kannte ich noch vom Tag davor. Das Hotel-Restaurant hatte nämlich auch am Vorabend geschlossen.

So bildete ein Hamburger, ein Lachssandwich und am Morgen ein Milchkaffee mit Gipfeli und Haselnuss-Gebäck die Grundlage für die letzten 150 km in die litauische Hauptstadt bzw. dem LFF stadionas, dem primären Ziel meiner Veloreise. 

Der Weg dorthin war einer der schöneren der Tour. Gelangweilt von der Eintönigkeit des Warschauer Beckens und Podlachiens war ich empfänglich für jede Form von landschaftlicher Veränderung. Diese begann ab Augustow, der letzten grösseren Stadt in Polen, und endete in Litauen in einer Mischung zwischen dem Teletubby-Land, dem Auenland der Hobbits und dem grünen Hintergrundbild von Windows XP. Ok, Ich übertreibe ein wenig, aber es war schon sehr schön. 

Angekommen beim Stadion mussten erst einmal ein paar Selfies gemacht werden mit dem Stadion im Hintergrund. Doch warum nicht auf den Platz für ein paar Schnappschüsse? Schliesslich konnte ich kein Verbotsschild oder dergleichen erkennen. Die anwesende Security trat dann doch auf den Platz, kaum als ich das Velo an den Pfosten gestellt hatte. Der Security-Mann zeigte leider kein Verständnis für meine Leistung, ich aber ebenso wenig für seine Anweisung den Platz unmittelbar wieder zu verlassen. Stets freundlich bleibend machte ich dennoch zwei Fotos, während der Wachmann vermutlich bereits Verstärkung anforderte auf seinem Uralt-Nokia (3210?) und ich mich bereits wieder vom Acker, äh, Kunstrasen machte. 


See mit Landschaft, Wald und Velo 

Viele Seen im Südosten Litauens

Elchtest?





Freitag, 12. Juni 2015

Der rosarote Elefant

Bericht vom 12. Juni 2015: Lomza (PL) - Lazdijai (LT)

Denke an einen rosaroten Elefanten. Schliesse die Augen. Und denke nicht an diesen Elefanten. Praktisch unmöglich, nicht an den rosa Elefanten zu denken. Erst nachdem das Bild des Elefanten in der Vorstellung aufgetaucht ist, hat man sich überlegt, woran man denken könnte. Man kann nicht an etwas nicht denken. 

Ersetze den Elefanten durch ein defektes Tretlager - und du weisst, an was ich auf der heutigen Etappe häufig dachte. Es machte sich bereits am Vortag durch rhythmisches Geräusch bemerkbar. Nach dem erstem "Zehner" (km), ging ich auf Geräuschquellensuche, löste die Schrauben am Sattel nur um sie gleich wieder anzuziehen. Dies hat auch schon geholfen, nervende Lärmquellen zu eliminieren. Doch leider ist das Problem viel einfacher zu finden und noch schwieriger zu lösen: das Tretlager, bzw. die Kugellager dürften schon wieder hinüber sein. Die Kurbel hat ein deutliches Spiel. Sie lässt sich ein, zwei Millimeter aus ihrer Rotationsachse hinaus bewegen. Beim normalen Treten merkt man dies nicht zwingend, ausser eben durch das tolle Quietschen mit jeder Pedalumdrehung. 

Eben, an etwas nicht denken geht nicht. Also muss Ablenkung her. (Ich frage mich eh jeweils, an was ich den ganzen Velotag lange so denke ...) So fahre ich die nächsten Stunde mit Musik in den Ohren, die aus dem iPhone-Lautsprecher dröhnt. Später brauche ich das nicht mehr, denn die Strassenverhältnisse sind nun Ablenkung genug. Ich erfahre noch einmal das ganze Spektrum polnischer Strassenbaukunst: perfekt asphaltierte Hauptstrasse, holprige folgt auf gut rollende Nebenstrasse; separater und breiter Veloweg, gepflasterte Ortsdurchfahrten, sowie Naturstrasse die zunehmend zu einer Sandpiste wurde. 

Wie es Litauen sein wird, weiss ich noch noch. Denn ich übernachte gleich im ersten Hotel keinen Kilometer nach der Grenze direkt am See mit diesem Panorama:


Aus alten Reifen kann man Schwäne schnitzen ...

Entlang der Eurovelo Route 11: die Strassen sind nicht gemacht für ...

... 25 mm breite Reifen :-)

"Wypadki" heisst sowas wie "Beginn"

Keine Übersetzung nötig :-)

Mittwoch, 10. Juni 2015

Erst hui, dann pfui

Bericht vom Mittwoch, 10. Juni 2015: Warschau - Lomza

Der Weg raus aus Polens aufstrebenden Hauptstadt gestaltete sich einfacher als befürchtet. Alles mehrspurige, breite Hauptstrasse und nur geradeaus. Ab und zu an einem Rotlicht warten und die rechts-abbiegenden Autofahrer vorbei lassen. Die dürfen das nämlich auch bei rot - wie in Basel die Velofahrer im Rahmen eines Pilotversuchs. Nach rund 10 km mal selbst auch rechts abbiegen und dann nochmals so weit, bis man sich auf einer einsamen Traumstrasse für Zeitfahrer befindet: wenig Verkehr und guter Belag um Kilometer-Weise geradeaus in die Pedale zu drücken. Macht Spass! Dazu fetzige Musik über die iPhone-Boxen und man fährt noch ein bisschen schneller. 

Hoffentlich muss ich für diesen extra-Effort nicht büssen. Denn morgen muss, nein will ich einen Umweg von rund 30 km fahren um dem mühsamen Verkehr auszuweichen. Denn irgendwann war der Spass vorbei. Der Belag zeigte bald einige Schwachstellen. Kein Wunder, befand ich mich doch nach circa 2/5 der Strecke auf einer Hauptverkehrsachse mit entsprechendem Schwerverkehr. Die Brummis überholen meist mit gebührend grossem Abstand, nervig ist's aber auch so. Autobahnen gibt's hier im Nordosten nicht mehr viele. Es gibt eine, die führt weiter Richtung Osten nach Bialystok und weiter in die Ukraine. Möchte man ausgehend von Warschau Richtung Litauen führt glaub kein anderer Weg als über meinigen. Jedenfalls fühlte es sich so an ...

Heute Abend wird also noch etwas Routenplanung gemacht werden müssen!

Letzter Blick zurück auf Warschau 

Die erwähnte Traumstrasse ...

Etwas später leider viel Schwerverkehr

Impression aus Brok am Fluss "Bug"

27% Polens Landfläche sind von Wald bedeckt

Dienstag, 9. Juni 2015

Easy Rider

Bericht vom Montag, 8. Juni 2015: Lódz - Warschau

Vom heutigen Tage gäbe es eigentlich nichts spezielles zu berichten. Die Landschaft bleibt auch am dritten Tag in Polen eintönig und flach. Auf den schnurgeraden Landstrassen bleibt einem manchmal nicht anderes übrig als Bäume zu zählen, die links und rechts der Strasse eine Allee bilden. Auch die Dörfer und grösseren Ortschaften gleichen sich. Pflichterfüllung nennt man dann das und macht nur bedingt Spass. 

Dann taucht plötzlich er auf: der Easy Rider!


Er hat doch tatsächlich einen Harley-Lenker mit einem Velo vereint, Marke Eigenbau. Schalter für Blinker und Licht waren noch dran, ebenso die Original-Rückspiegel. Genug Zeit zum studieren hatte ich, denn während einigen Kilometern spendierte er mir ein wenig Windschatten. Jedenfalls das was davon übrigbleibt von seinem, na ja, etwas aerodynamischeren Profil.

Der Fahrer selbst ist auch interessant: eine Mischung von Rocker und Biker mit zu einem Zopf zusammen Geissbock-Bart. Mit Biker meine ich nicht Mountain-Biker, sondern die richtig harten Jungs (oder Oldies) mit echten Pferdestärken unter dem Sattel. Die ganze Zeit drückte er auf seinem am Lenker montierten Smartphone herum. Er spielte doch tatsächlich Ingress - dieses Nerd-Spiel, wo man sog. Portale hacken muss, die überall auf der Welt verstreut sind - offenbar auch in Polen. 


Warschau

Immer Augen offen halten für Schlaglöcher 

Sollte es sich in der Schweiz geben: Reparaturbox mit Velo-Pumpe 

Sieht man in jedem Dorf